Verabschiedung von Pfarrer Gerhard Failing

Dank und Anerkennung für das in fast vier Jahrzehnten Geleistete haben die Abschiedsfeier für Pfarrer Gerhard Failing am 27.10.2019 bestimmt. „Du hast dich sehr engagiert eingesetzt und immer wieder Neues angepackt, aber nicht für dich“, lobte Pröpstin Annegret Puttkammer den scheidenden stellvertretenden Dekan des Evangelischen Dekanats Biedenkopf-Gladenbach in der Biedenkopfer Stadtkirche, bevor sie ihn offiziell von seinen Pflichten entband.

Failing habe im Laufe seines „reichen und erfüllten Lebens als Pfarrer“ viele Aufgaben übernommen und nehme viele frohe, aber auch belastende Situationen mit in den Ruhestand. Gerade in seinen Leitungsfunktionen als Dekan, Stellvertretender Dekan, Mitglied der Kirchensynode und Vorsitzender des Regionalverwaltungsverbands habe der Seelsorger realistisch und visionär zugleich gehandelt und nicht nur die Fusion der beiden Dekanate mitgestaltet, sondern hinsichtlich der Regionalentwicklung auch sonst so manchen Leuchtturm gesetzt, sagte die Pröpstin.
„Du bist von Gott auf diesen Weg geschickt worden, und das Evangelium hat dir Kraft dafür gegeben“, bekräftigte sie mit Blick auf die Vita des künftigen Ruheständlers. Besonderen Dank richtete sie auch an Sabine Failing, die als Ehefrau zugunsten der kirchlichen Termine und Aufgaben auch so manchen Abend auf ihren Mann habe verzichten müssen.

Seine Predigt über die Heilung des Kranken am Teich Bethesda – laut Bibel nach 38 Jahren, also so lange wie seine Zeit im Pfarrdienst – verknüpfte Failing mit einigen Abschiedsworten. Jesu´ Aufforderung „Steh auf, nimm dein Bett und geh´ umher“ bezog der scheidende Seelsorger unter anderem auf den im Glauben immer wieder erforderlichen Perspektivwechsel. Nach 38 Jahren kenne man sich gut aus in seinem Umfeld und entwickle eine beruhigende Routine, aber darin liege auch die Gefahr der Gewöhnung, mahnte Failing und nannte als Beispiele für notwendige Auseinandersetzungen die Diskussionen um die Grundartikel-Ergänzung, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Fusion der Dekanate und aktuell die intensivierte Zusammenarbeit der Kirchengemeinden in Nachbarschaftsräumen.

Auch das Verständnis der Bibel müsse man immer wieder neu hinterfragen, unterstrich Failing: „Ich wünsche uns allen diese Neugier!“ Er forderte die Gemeinde auch dazu auf, den Blick auf die Glaubensgeschwister überall in der Welt zu richten. „Wir sind eine globale Gemeinde und dürfen nicht aufhören, uns darum Gedanken zu machen, wie wir das Evangelium zu anderen Menschen bringen können“, forderte er. Jesu´ Frage an den Kranken „Willst du gesund werden?“ und seine Aufforderung „Geh umher!“ bezog Failing auf die Situation der Kirche insgesamt: „Ich wünsche uns allen, dass wir uns herausrausreißen lassen aus der Resignation: Wenn wir uns von Jesus heilen lassen, brauch´ uns um die Zukunft nicht bange zu sein!“

Der Posaunenchor Simmersbach unter der Leitung von Torsten Reh gestaltete den Verabschiedungsgottesdienst musikalisch mit. 

Nach dem von der Dekanatskantorei Biedenkopf unter der Leitung von Dekanatskirchenmusiker Johann Lieberknecht und dem von Torsten Reh dirigierten Prosaunenchor Simmersbach eindrucksvoll musikalisch mitgestalteten Gottesdienst dauerte es eine ganze Weile, bis die vielen Besucher den Weg zum und ihren Platz im benachbarten Gemeindehaus gefunden hatten. Dort hielten sich wortreiche Ausführungen dank einer Grußwortmappe und Failings humoriger Einschätzung eines Grußwort-Marathons als „moderne Form der Christenverfolgung“ in überschaubaren Grenzen.

Mit „Danke, tschüss und Amen!“ – wie scherzhaft von Präses Britta Duchardt-Linneborn und Dekan Andreas Friedrich ins Spiel gebracht – war es allerdings nicht getan. „Unsere gemeinsam getragene Verantwortung endet nun“, verabschiedeten die beiden ihren scheidenden Stellvertretenden Dekan, der immer gerne diskutiert, mitgedacht und oft für die Sache anderes hintan gestellt habe. „Danke für deinen Dienst und für den gemeinsamen Weg!“

Wir konnten uns streiten und verstehen“, sagte der Kreistagsvorsitzende und Pädikant Detlef Ruffert, der gemeinsam mit Failing in der Kirchensynode auch „unsere ländliche Kirche und das Hinterland“ gegen die Ballungsräume verteidigt habe: „Ich bin dankbar, gestärkt zu werden im Gespräch mit dir“, sagte er. Oberkirchenrat Frank Kopania, der aus dem Dekanat stammende Leiter der Abteilung Auslandsarbeit bei der EKD in Hannover, lobte den scheidenden Kollegen für dessen internationale Sichtweise, die abermals mit der Kollekte für die Near East School of Theology (NEST) im Libanon deutlich werde: „Du hast immer über den Tellerrand hinausgeblickt“, freute sich Kopania. Am liebsten würde er von allen persönliche Worte mitnehmen, dankte Failing und griff abschließend eine von Pröpstin Puttkammer erzählte Erinnerung auf: Als junger Pfarrvikar habe er sich beim ersten Besuch in der beeindruckenden Biedenkopfer Stadtkirche gewünscht, dort mal predigen zu können. Dass er dann hier 1995 bis 2016 Gemeindepfarrer sein und in den Ruhestand verabschiedet werden würde, habe er nicht im Traum gedacht. (klk/eöa)

INFO

Gerhard Failing ist am 2. Juni 1954 in Waldgirmes geboren worden, wo er auch aufwuchs. Nach dem Besuch der Volksschule und der Kaufmännischen Berufsfachschule („Handelsschule“) absolvierte er bei Buderus in Wetzlar eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Danach machte er sein Abitiur am Wirtschaftsgymnasium in Wetzlar, an das sich der Zivildienst beim Ev. Gemeindeverband Wetzlar anschloss. 1975 bis 1981 studierte Failing dann Evangelische Theologie in Oberursel, Heidelberg und Marburg. Das Vikariat führte ihn erstmals ins Hinterland nach Biedenkopf-Breidenstein. Als Pfarrvikar kam er 1983 in die Evangelische Kirchengemeinde Hermannstein, wo er anschließend bis 1995 auch als Pfarrer tätig war. Von 1995 bis 2016 war er Gemeindepfarrer in Biedenkopf. Als stellvertretender Dekan arbeitete Failing seit 1992 im Dekanat Gladenbach und seit 1998 im Dekanat Biedenkopf, dessen Dekan er von 2008 bis 2016 war. Seitdem ist er im fusionierten Dekanat Biedenkopf-Gladenbach wieder Stellvertreter des Dekans.

Anlässlich der Ordination von Gerhard Failing entstand 1981 dieses Foto, das ihn (2.v.l.)
mit seinem Mitvikar Klaus Bastian, seinem Lehrpfarrer und Dekan Klaus Koch und Propst Hans Wilhelm Stein zeigt.

Schon 2017, nachdem er sich als Gemeindepfarrer von der Kirchengemeinde Biedenkopf verabschiedet hatte, ist der Seelsorger mit seiner Frau Sabine nach Marburg umgezogen. Die Nähe zur Universität ist ein weiterer Umstand, den der 65-jährige nun zu nutzen gedenkt: Er will als Gasthörer Vorlesungen besuchen und sich mit Systematischer Theologie beschäftigen – eine Leidenschaft, für die während der Doppelbelastung als Gemeindepfarrer und Dekan beziehungsweise Stellvertretender Dekan in den vergangenen Jahren zu wenig Zeit blieb. Außerdem will er wieder in einem Chor mitsingen und „auf jeden Fall mehr reisen“: „Das haben wir auch mit der Gemeinde früher immer gerne und intensiv getan“, erinnert er sich.

Ein dreimonatiger Auslandsaufenthalt hat ihn besonders geprägt: 2007 war er drei Monate in Beirut, wo er sich in Studienzeit mit dem interreligiösen Dialog an der Near East School of Theology (NEST) beschäftigte und mit vielen jungen Theologiestudenten sprechen konnte. „Ich glaube, dass wir und unsere Gemeinden das brauchen: Zu wissen, wie andere Christen in anderen Situationen leben“, sagt er: „Da können wir vieles lernen.“ Auch deshalb hat sich Failing in der Deutschen Regionalversammlung der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) engagiert und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Delegierter bei wichtigen Konferenzen in Kigali (Ruanda) und auf Parapat (Sumatra, Indonesien) vertreten.

Zugleich übernahm der Theologe – der 1972 schon eine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen hatte, bevor er sich nach dem Zivildienst beim Evangelischen Gemeindeverband Wetzlar in der Offenen Altenhilfe für ein Studium der Evangelischen Theologie entschloss – schon bald nicht nur Verantwortung in seinen Kirchengemeinden, sondern auch im Dekanat. 1992 wurde er zum Stellvertretenden Dekan im Dekanat Gladenbach gewählt, 1998 übernahm er dieses Amt für das Evangelisch-lutherische Dekanat Biedenkopf, dessen Geschicke er im Anschluss von 2008 bis 2016 dann auch hauptamtlich parallel zu seinem Gemeindepfarramt in Biedenkopf als Dekan lenkte. Seit der Fusion der beiden Dekanate Biedenkopf und Gladenbach ist er wieder Stellvertreter des Dekans; mit einer halben Stelle arbeitet er zudem als Pfarrer in Simmersbach und Roth.

Das „Über-den Tellerrand-Blicken“ bezieht der Theologe ganz ausdrücklich auch auf das Miteinander der Religionen: „Der ökumenische Blick ist mir sehr wichtig“, betont er. „Gerade in Biedenkopf habe ich da auch eine große Offenheit erlebt, oft auch in der katholischen Gemeinde gepredigt und an Fronleichnam den Gottesdienst besucht“, freut er sich rückblickend und bezeichnet sich in diesem Zusammenhang als „Teil einer Familie“. „Ich war und bleibe sehr gerne Pfarrer, bei allen Problemen, die der Beruf so mit sich bringt.“ Vor allem der Kontakt mit Menschen bereite viel Freude – ebenso, wie ihnen die Frohe Botschaft zu vermitteln: „Wir sind von Gott geliebte Menschen und bekommen unsere Würde von ihm zugesprochen; egal, was wir tun oder wer wir sind – das ist doch eine Botschaft, die ihresgleichen sucht!“, ist Failing überzeugt.

(Fotos & Text: Klaus Kordesch/eöa); Privat)

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